Ralph Schreiner – Blasmusik
bis uns der Kopf fehlt
Die blauschwarze
Schmeißfliege roch den Braten zu spät. Der Ochse am Spieß lockte sie in die
tödliche Falle. Jetzt ist sie Kunst. Fest geklebt in fleischfarbenem
Schleifstaub und Ölfarbe auf Leinwand hängt sie im Museum Voswinckelshof.
Und die Musik spielt dazu. Blasmusik, präsentiert von fidelen Gesellen in
zünftigen Lederhosen. Der Düsseldorfer Künstler Axel Brandt hat die bayerischen
Blechbläser aufmarschieren lassen. Bis zum 6. Februar machen sie Musik – „ bis
ihnen der Kopf fehlt“.
Der Titel der Ausstellung
ist Programm. Axel Brandt (1962 in Ulm
geboren) mag Blasmusik. Sie inspiriert ihn zu ebenso großartigen wie
großformatigen Bildern. Bilder, in denen „Heimat“ zum Klischee mutiert und
„Heimatgefühl“ den muffigen Geruch der Tümelei
verströmt. Kraftvoll schleudert der Maler dicke Farbbrocken auf die Leinwand,
lässt die rosafarbene Masse pastos aus Gesichtern
quellen und von Armen tropfen, in denen goldgelb Tuben und Posaunen glänzen.
„Ich versuche ironisch zu
sein“ sagt Axel Brandt .Das gelingt ihm. Es sind nicht allein die gesichtslosen
Blasmusikanten, die ihr Scherflein dazu beitragen. Auch mit Wohnwagen und
Schiffen treibt der Maler immer wieder sein Spiel. Aus der abstrakten Form
entwickelt Axel Brandt Figuratives, indem er die Beschaffenheit der Farben
ausnutzt, sich von ihnen lenken und leiten lässt, bis das Motiv aus dem
Bildträger hinaustritt, sich materialisiert.
„Durch die Pastosität verlassen die Figuren die Leinwand“, erklärt
Brandt. Sie werden scheinbar real, treten hervor aus weißen Wohnwagen,
Brottrommeln ähnlichen Gefährten der modernen Nomadentums, in denen sie als
gesichtslose Gestalten Wurst, Kräuter und Eier verkaufen. Sie lösen sich von
den weißen Booten, die auf blauem Wasser dümpeln, werden zu Pärchen, die sich
miteinander vergnügen. „Die Liebe der Matrosen“ als perfekte Illusion. Wieder
bedient sich Brandt bei der Volksmusik. Volkslieder bieten dem Künstler ein
schier unerschöpfliches Reservoir, wenn es darum geht, für ein Bild einen
passenden Titel zu finden.
Bei der Suche nach dem
richtigen Platz für seine Arbeiten verlässt sich der Träger des
Markus-Lüpertz-Preises der Kunstakademie Düsseldorf lieber auf sein Gefühl. Und
das sagte ihm gestern, dass zwei der durch Rundkanten in ihrer raumgreifenden
Wirkung verstärkten Großformate (Boot und Wohnwagen) unbedingt in dem kleinen
Ausstellungsraum der ersten Museumsetage stehen müssen. Dass die Bilder nicht
durch die engen Türen passten, war für Axel Brandt kein wirkliches Problem.
Kurz entschlossen zersägte er die Rahmen und setzte die Kunst anschließend
wieder zusammen. Eine gute Entscheidung. Die lustigen Musikanten an der
Stirnwand blasen ihre Edelweißmusik nun direkt gegen einen überdimensionierten
Wohnwagen. Das dämpft.
Ralf Schreiner in Rheinische
Post vom 3.1.2002
„Der Maler Axel Brandt
stellt im Museum Voswinckelshof aus“