Axel Brandt - Redemanuskript
Sehr geehrte Damen und
Herren,
Der Künstler Axel Brandt,
Jhg. 1962, in Ulm geboren und heute in Düsseldorf ansässig, vertritt mit seinen
Arbeiten eine bestimmte künstlerische Richtung, die wir seit einigen Jahren
kontinuierlich in unserem Ausstellungsprogramm verfolgt haben. Zu dieser Linie
gehören Künstlernamen wie Cornelius Völcker, Sven Krohner, Andrea Bender,
Robert Klümpen und Simone Lukas, eine Künstlerin, die im letzten Jahr durch
ihre großformatigen Frauenbildnisse auffiel, sie werden sich erinnern. Was
diese Künstler vereint: sie alle sind Meisterschüler des Düsseldorfer
Akademieprofessors Dieter Krieg, so auch Axel Brandt. Und wie alle diese
Künstler ist auch Axel Brandt in einer Malerei zuhause, die sich dem Gegenständlichen
verpflichtet hat. Sehr präsent fasziniert die schnelle, oft wie hingehuschte
Malweise, vorzugsweise - das ist Konsens der Kriegschüler - im Großformat. Es
ist eine Malerei, die - und auch das scheint Konsens der Kriegschüler zu sein -
unserer Alltagswelt mit der Erkenntnismethode der Ironie zu Leibe rückt, das
kann sowohl versöhnliche Ironie sein, eine Ironie, die zum Schmunzeln
verleitet, aber auch die böse Ironie. Axel Brandt ist auf der Suche nach Räumen für das Großformat, das er zügig
bearbeitet, manchmal mit einer gewissen Ungeduld bezwingt. Er arbeitet ohne
Vorlagen, seine Werke entstehen direkt auf der Leinwand, „alles andere würde
mich zu lange aufhalten und mir zu lange dauern“, so die Worte des Künstlers. Die
heutige Ausstellung des Künstlers Axel Brandt ist insofern besonders, da es
sich erstmals um eine Art Überblicksausstellung handelt, d.h. mehrere
Motivserien des Künstlers, die bisher nur einzeln und themengebunden ausgestellt
wurden, sind nun erstmals unter einem Dach vereint. Dabei handelt sich um
Arbeiten aus den letzten fünf Jahren.
Was nun zeichnet die Werke
von Axel Brandt aus? Es gibt einen Himmel, der so wie keiner ist, es gibt das
Wasser, das so nie vor uns liegt, Landschaften, die so malerisch gelöst
daherkommen, dass man sie nirgends auf der Welt finden kann. Seine Autos malt
er in den deutschen Nationalfarben schwarz rot gold, verwendet den passenden
Autolack direkt auf der Leinwand, das Getöse der bayerischen Trachtenkapellen
kann man schon von weitem hören. Die Boote erinnern uns an Ferien und Sommer,
die Schneebilder an den Wintersport. Die Bilder reichen bis an die Außenkanten,
kein Zentimeter wird verschenkt, gerade, das ist umso erstaunlicher, bei den
Großformaten. Menschliche Gesichter werden betont ruppig hingepinselt, handelt
es sich doch unmissverständlich um nichts als Malerei. Der eigentliche
Werkprozess spielt sich offenbar in nur zwei Dimensionen in der
Vordergrundebene ab, die Regeln der Perspektive bleiben im Ansatz stecken. Vordergründig
aber sind seine Bilder keineswegs.
Lassen sie mich Beispiele
nennen:
Die Musikkapellen. Man kann
sie förmlich hören, die Posaunen und Trompeten, die vor unserem inneren Auge
nicht gelb, sondern metallisch gold abgerufen werden. Die Musikanten stehen
oder sitzen wohlgeordnet als Ensemble aufgereiht, einzeln für sich oder
eingerahmt auf einer Bühne, unmittelbar vor uns. Die ehrfürchtige Unteransicht
suggeriert den Eindruck, in einer bayerischen Trachtenkappelle, da ist die Welt
noch in Ordnung. So kann auch das bestechend dichte Blau des Himmels kein einziges
Wölkchen trüben. Irgendwann aber wird man skeptisch und dann die seltsame
Gewissheit, der Himmel erstrahlt nicht als Weite des Kosmos über den Menschen,
sondern liegt hinter ihnen in weiter Ferne, und tatsächlich, Axel Brandts
Bilder haben einen Raum hinter dem Bild, einen Raum hinter der Leinwand. Dies
ist ein Potential, das man vielleicht spürt, aber zunächst nicht bewusst
wahrnimmt. So erkennen die Menschen ihre Situation nicht, dass ihre Bühne
unaufhaltsam - ähnlich wie eine Eisscholle - davon treibt, und sie sehen nicht,
dass der Horizont soeben hinter ihnen abstürzt.
Die Boote. Alles ist gleich
wichtig, auch die Leere, Perspektive tritt zurück zugunsten der Stimmung. Die
Boote liegen unwirklich auf dem Wasser, das seine Naturgewalt nicht preis gibt,
der Künstler ist nur wenig bemüht, einzelnen Wellenformen nachzugehen. Vielmehr
setzt sich auch hier, sozusagen unter den Farbflächen des Wassers ein Bildraum
fort, den wir nicht ermessen können. Es sind Flächen, die wie Folien agieren,
unter die man nur ungern geraten möchte und so für Irritation sorgen. Das
Ausblenden der Horizontlinie oder das Fehlen eines Ufers tun ihr Übriges.
Die Schneebilder. Überall schöner Schnee, schöner Himmel, schöne
Berge, traumhaft schön. Umso befremdlicher muten die waghalsigen steilen
Abfahrten der Schifahrer an, die beunruhigend gefährlich abzurutschen drohen,
obwohl, oder gerade weil sie der Künstler direkt aus der Tube als dicke
Farbspuren auf der Leinwand befestigt hat, und sie das einzige sind, woran sich
unser Blick fangen kann.
Axel Brandt ist kein
Chronist, sondern er appelliert an die Erfahrungswelten des Betrachters. Das
gelingt ihm immer, jeder von uns kennt Autos, Boote, Berge, Musikkapellen,
niemand muss außen vor bleiben. Dabei setzt der Künstler durchweg auf
autobiografische Motive, so ist Axel Brandt selbst ein begeisterter Schifahrer
und er hat früher Posaune in einer Blaskapelle gespielt. Skurril vereint finden
Sie beide Motive auf dem Titelbild unserer Einladungskarte.
Nicht zuletzt und vor allem
ein Wort zur menschlichen Figur, sie erfährt die radikalste Loslösung einer
erkennbaren Darstellung, und ist an einigen Stellen nur noch als aufgequollene
fleischfarbene Oberfläche zu beschreiben. Manchmal verwendet Axel Brandt dazu eine
eigens von ihm konstruierte Maschine, er nennt es eine Malmaschine, die mit
hohem Luftdruck und einer Mischung aus Farbe und Holzmehl die Menschen aus
einem großen Farbtopf auf die Leinwand katapultiert. Axel Brandt kam auf die
Idee, Menschen aus einer Maschine sich selber malen zu lassen, ein Experiment,
das ihm nicht immer glückt, oft bedarf es mehrerer Versuche, bis das Ergebnis
passt. Der Mensch löst sich mehr und mehr auf in empfindliche Farbwülste und
Farbspuren, einzig über das Fleischfarbene und über den Ort, d.h. die
Fahrerkabine oder das Deck der Boote, werden die menschlichen Bewohner der
Bilder assoziiert. So erinnert zuweilen lediglich eine explosionsartig
verteilte Farbmaterie an die menschliche Existenz, dennoch liegt hier der
eigentliche Kern, Axel Brandt schafft Bilder, die immer von Menschen oder
Menschengruppen bevölkert sind. Das Unberechenbare der menschlichen Darstellung
aber, sei es aus der Tube oder der Maschine, transportiert die besondere
künstlerische Qualität seiner Arbeiten. Das Motiv der Haut, - die Haut ist
unser größtes Sinnesorgan -, das Motiv der Hautfetzen, des Fleischfarbenen
verfolgt Axel Brandt noch sehr viel intensiver in seinen neuesten Arbeiten, in
denen er den Blick auf einzelne Regionen des menschlichen Körpers fokussiert.
Ein Augenpaar und das Triptychon einer weiblichen nackten Brust in schier
unermesslicher Vergrößerung erweisen sich als hautfarbene Landschaften, die wir
abschreiten können. Haut soweit das Auge reicht, Hautberge, Hauttäler,
Hautebenen. Zwar können wir diese Arbeiten heute nicht zeigen, weil sie
schlichtweg aufgrund ihrer Großformate unsere Ausstellungsmöglichkeiten
gesprengt haben, und der Künstler sie wieder mit nach Düsseldorf nehmen musste.
Zum Verständnis seines künstlerischen Weges aber haben sie mir eines
verdeutlicht, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: Viele Maler haben schon
menschliche Haltungen und Befindlichkeiten thematisiert, ja die Kunstgeschichte
ist voll davon, aber es über die Haut zu tun, geht unter die Haut.
©Jutta Buschmann 2005
Rede Ausstellung Axel Brandt
– Regionalmuseum Xanten, 06.03.05