Bernd Finkeldey

 

Ein guter Realist muss auch erfinden können

 

Axel Brandt widmet sich der ehemaligen Königsdisziplin der Malerei: der Historienmalerei. Gerade sie ist, vielleicht durch Opportunismus oder allzu eindeutige lagerpolitische Stellungnahme, in Misskredit geraten. Zudem sind die Großprojekte der letzten Jahrzehnte, man denke an Tübkes Bauernkriegspanorama oder Grützkes Einzug der Parlamentarier in die Frankfurter Paulskirche, nicht gerade überzeugend. Dennoch aber ist die Historienmalerei nicht ad acta zu legen, wie Gerhard Richters Gemäldezyklus zum deutschen Herbst 1977 nachdrücklich beweist.

Axel Brandt malt gegenständlich. Um den Realismus zu steigern, sucht er für die Dinge malerische Äquivalente, indem er die Karosserien der Autos und LKWs mit glänzender Lackfarbe malt, für einen Stringtanga ein durchscheinendes, wiewohl stofflich körniges Pink wählt, auf den fliegenden Teppich struppige Farbfäden setzt oder Elektrokabel mit pastos gesetzter blauer und roter Farbe greifbar werden lässt. Auf die Gesichter von kirchlichen und politischen Mandatsträgern setzt er Farbgrate, die aus der Ferne betrachtet den Gesichtern Falten und Narben geben und ihnen Ausdruck verleihen.

In dieser Malerei finden Realismus und malerische Abstraktion zueinander. Farbe bezeichnet und ist gleichermaßen auch eigenständig. Realitätsnah und doch intuitiv oder assoziativ ist auch die Bildfindung. Hier geht es nicht um Dokumentation, sondern um Assoziation.

Thema vieler Gemälde ist ganz offensichtlich die Zeitgeschichte. So etwa bei den Bildern der Deportationen, auf denen ein weißer LKW der Firma Magirus zu sehen ist, deren Markenzeichen der stilisierte Turm des Ulmer Münsters war, welcher den Kühlergrill schmückt. Hinter diesem Transporter steht, auf einigen Bildern nackt, auf einigen bekleidet, eine Masse Mensch an, um verladen und deportiert zu werden. Nun ist historisch belegt, dass nicht die Ulmer, sondern eine Berliner Firma die zuerst bei der Euthanasie, später zur Tötung der Juden in den besetzten Gebieten im Osten eingesetzten Busse produzierte.

In Axel Brandts Gemälden geht es aber nicht um historische oder politische Korrektheit, gelingt es ihm doch nur so, Fragen aufzuwerfen nach der Geschichte der Stadt Ulm und der Firma Magirus während des Dritten Reiches. Ähnlich verfährt er auch bei den Gemälden von Massengräbern, auf denen ein makellos gelber Schaufelbagger zu sehen ist, der die Aktualität solcher Erscheinungen akzentuiert. Selbstverständlich ist auch das bei Audienzen eingesetzte Papa-Mobil keinesfalls rot, sondern in unbeflecktem weiß gehalten. Auch den fliegenden Teppich gibt es ja nun nicht, wenngleich er das Symbol sein könnte, für den Magier Osama Bin Laden, für den ihn Kreise von Islamisten halten, da er seinen Krieg mit vermeintlich einfachen Mitteln austrägt. Auf Axel Brandts Gemälden fliegt er auf dem Teppich, um von dort aus die Kabel kurzzuschließen, die auf anderen Gemälden vom Himmel kommend Skifahrer in die Luft sprengen. Terror ist auch das Thema der Gemälde, welche die Torsi von Menschen zeigen, gewandet in tief auf der Hüfte sitzenden Hosen, die einen Blick auf den Bauch und den modischen Tanga ebenso freigeben, wie auf die Sprengsätze, die sie am Gürtel tragen. Es ist das Albtraumbild einer hoffentlich nicht Wirklichkeit werdenden Assoziationskette, die Axel Brandt aus dem Bild unserer Städte ableitet, in denen der westlichen Mode frönende Menschen durchaus Selbstmordattentäter sein könnten. Doch auch jene Terroristen des deutschen Herbstes sollen ja, was Haarschnitt und Kleidung anbetraf, durchaus auf der Höhe der damaligen Mode gewesen sein. Wenig positive Bilder zeichnet Axel Brandt von der barocken katholischen Kirche, wenn er darstellt, dass sich in ihrem Schatten eben jene von ihm gemalten Massengräber befinden. Oder wenn er uns aufzeigt, dass sich in den Schoß ihrer Bischöfe zunehmend mehr Menschen flüchten, nicht immer nur wegen ihres Glaubens, sondern angezogen von auf T-Shirts gedruckten Papstporträts. Auch hier verleiht er der sich abzeichnenden Radikalisierung Ausdruck, wenn er jenen Leibchenträgern die blau und rot verkabelten Sprengsätze an den Gürtel malt.

 

Axel Brandts Gemälde sind Visionen und Assoziationen. Sie scheinen realistisch, zeigen aber nicht immer wirkliche Begebenheiten. Auch sind sie keinesfalls bis in alle Details historisch korrekt, sondern Bildfindungen und bildhafte Stellungnahmen. Dennoch aber sind sie realitätsnah, da ihnen ein Kern von Wirklichkeit innewohnt, der dem Beschauer vertraut oder bekannt ist, und wiederum dazu führt, bei ihm eine Assoziationskette zu starten. Die Gemälde sind deutlich, aber nicht explizit und erlauben so Freiräume für Gedankenspiele. Und dergestalt kann Historienmalerei sehr spannend sein, wenn sie Impuls zum Nachdenken gibt, ohne dieses gleich in eindeutige Richtungen zu lenken.