Meine sehr
geehrten Damen und Herren !
Der Titel der Ausstellung ,die wir Heute eröffnen ,heißt "Gib Gas
!" .
Ich nehme an ,beinahe jeder von Ihnen hat – als er oder sie ihn zum
ersten Male
hörte oder las –
sofort und quasi automatisch ergänzt : "Ich will
Spaß !" .
Dieses "Gib Gas ,ich will Spaß !"ist das letzte Echo der sogenannten "Neuen Deutschen
Welle" ,deren Protagonisten man in der Rückschau als
Propheten der
sogenannten Spaßgesellschaft ansehen kann .
Spaß machen die
Bilder von Axel Brandt auch ,aber es ist nicht der
Spaß dieser
Gesellschaft –
bedingungslos und möglichst bis zur Besinnungslosigkeit .
Denn die bildende
Kunst ist ja gerade nicht bedingungslos ,auch
die Avantgarde nicht ; und sie führt nur in den seltensten Fällen zur
Besinnungslosigkeit
.
Wir Deutschen
haben ja eh´ ein ,sagen wir mal : besonderes
Verhältnis
zur Kunst und
zum Spaß .Anderswo schüttelt man über unsere Einteilung in
U- und E-Kunst
nur den Kopf ,und einer der deutschesten Sätze ,die kaum
übersetzbar sind ,lautet ,richtig : Spaß muß
sein !
Was hat das mit
den Bildern von Axel Brandt zu tun ? Ich meine :
sehr viel ! Denn
wir nähern uns damit einem ,wenn nicht dem Grundthema
seiner Kunst :
den deutschen Klischees .
Und wie ein roter
Faden ziehen sich die dicksten dieser Klischees durch
die Etagen dieses
Hauses : das deutsche Lieblingsspielzeug – das Auto - ,
das
Lieblingsgeräusch der Deutschen – die Volksmusik – und das Klischee
der Sehnsucht –
das blaue Meer ,wahlweise auch die blauen Berge .
Und der Topf ,in dem all diese blauen Blumen blühen ,das ist die
Heimat ,
zu der komme ich
später noch .
Das
Zusammentreffen von Kunst und Klischee endet zumeist tragisch
,
entweder in der
Sozialkritik ,etwa bei Klaus Staeck ,oder im
namenlosen Kitsch .
Ein dritter Weg
,diesseits der Überhöhung und jenseits der Verdammung ,
tut sich in den
Bildern von Axel Brandt auf .
Wie sieht nun
dieser Weg aus ,und wohin führt er ? Um es gleich
vorweg
zu sagen : wohin er führt ,das weiß ich nicht ! Aber ich habe
an den Anfang
des Weges ein
Schild gestellt ,damit auch andere Künstler ihn
finden können ,darauf steht : Ironischer Realismus .Und Axel Brandt
ist
einer seiner
wichtigsten Vertreter .
Was nun ist der
Ironische Realismus ? Das versteht man nicht am besten
aber
am schnellsten
,wenn man ihn in Bezug zu seinem wichtigsten Großonkel
setzt
,dem Surrealismus ;
verwandtschaftliche Merkmale finden wir – später –
auch bei Axel
Brandt .
Während aber der
Surrealismus nach der Definition von Jürgen Schmarsow
"die
Traumatisierung der Welt durch Kunst" ist ,steckt
beim Ironischen Realismus
das Programm
gleich im Titel : die Ironisierung der Realität als Thema durch
die Kunst .Ironie
im Sinne von Sinnbrechung ,von Störung statt Zerstörung ,
bedeutet hier ,daß diese Kunst eine Spur
neben der realen Welt liegt .
Der Witz aber ,den diese Ironie erzeugt ,verpufft nicht in einer
bildlichen Pointe –
wie bei vielen
der heute alten Neuen Wilden – sondern wird der Malerei
einverleibt
: nur so kann der
vermeintlich "billige Trick" zum tragenden Balken
werden
.
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Im Sinne des
Ironischen Realismus fehlt der realen Welt etwas ,das
ihr –
damit sie
"bildfähig" wird – erst der Künstler gibt .Er entnimmt der Welt also
nicht allein
seine Motive ,sondern er fügt ihr auch etwas hinzu –
und er darf nicht
locker lassen ,denn dann entgleitet ihm die Welt wieder .
Das Ganze ist –
natürlich – ein Spiel .Aber es ist das ernsteste Spiel überhaupt
.
Axel Brandt
spielt es virtuos ; ich konzentriere mich im Folgenden
auf drei
Ebenen ,deren
Problemfelder jeder Maler kennt : Raum – Figur – Erzählung .
Der Raum ,sein Raum ,ist kein realer ,sondern ein idealer ,im
Brandtschen Sinne
ein idealer
realer Raum .Er entsteht aus einer geraden oder geschwungenen
Horizontlinie heraus ,die einen realen Bezugsort andeutet ,der aber ,wie
man
heute so schön sagt ,"nicht wirklich" ist .
Denn die welligen
Streifen oder streifigen Wellen ,die die Flächen zwischen
Bildunterkante
und Horizontlinie füllen ,bilden nicht die
Wirklichkeit ab ,
sondern bilden
einen Malraum .Das Resultat ist die reale Kulisse für eine
malerische
Inszenierung .
Dabei ist der
Maler nicht zimperlich : Manchmal ist der Horizont
gefährlich
schräg und
manchmal ist er so nahe ,als befänden sich die
Bildpersonen am
Abgrund – ohne es
zu merken .
Häufig aber gibt
es gar keinen Horizont ,weder als Idee von Raum ,noch
als
Möglichkeit von
Abgrund sondern nur ein Ding in perspektivischer Darstellung
.
Dieses Ding –
gewöhnlich ist es ein Auto – wird aber nicht abgebildet ,
sondern vom Maler
so gebildet ,daß es das Bild nicht bloß ausfüllt ,
sondern es
erfüllt .Deshalb ist die Stoßstange des Opel Kadett so überbreit
,
deshalb ist die
Motorhaube des Jaguar E so kurz .Darum sind die Objekte
nicht
oder kaum angeschnitten ,sondern ins Bild hineingekantet ,fast wie ein
malerischer
Einbau
: Was nicht passt
,wird passend gemacht ,das aber so gekonnt ,daß man
es kaum wahrnimmt : der Raum ,Umraum oder
Abraum fällt erst auf den zweiten
oder gar dritten
Blick ins Auge .
Gleiches gilt für
die Fälle ,in denen es gar keinen Raum zu geben
scheint ,nur
eine Art Podest
,auf dem sich dann zumeist eine Trachtenkapelle befindet ,
die durch diese
Form der Positionierung als Inszenierung zu einer belebten
wie gemalten
Skulptur wird .
Die Figuren ,seine Figuren ,sind häufig nicht die bilddominierenden aber fast in
jedem Fall die blickdominierenden Elemente in den Gemälden des Axel Brandt
.
Das Bild als
Ganzes mag im Verhältnis zu ihnen noch so groß sein ,man
blickt
unwillkürlich
zuerst auf die Figur oder die Figuren .So etwa bei den "Drei LKWs
Dieter
,Wolfgang ,Otto"
,die schon allein deshalb so interessant sind ,weil
hier auf einem
Bild – einem Triptychon - die gesamte Spannbreite der
Figuration im bisherigen Werk von Axel Brandt erscheint .
Tatsächlich zeigt
uns der Künstler aber nicht so sehr Resultate ,sondern
geronnene
Materialdiskussionen mit sich selbst über die Frage ,was eine Figur
im Bild sein kann
und was sie sein muß ,um vom Betrachter als Figur nicht nur
wahrgenommen
,sondern akzeptiert zu
werden ,vom Erkennen als Portrait
ganz zu schweigen .
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Die Brandtsche
Diskussion der Figur hat eine These – der Umriß der Figur ,
und eine
Antithese – die Füllung der Figur .Denken Sie zum Verständnis ruhig
an eine Leberwurst ; die besteht aus Darm ,oder Pelle wie man bei
uns sagt ,
und Füllung ,beide zusammen machen die Wurst ,aber nicht die
Kunst .
Die Kunst ,und gerade die des Ironischen Realismus ,besteht ja
darin ,
die Welt
auseinander zu nehmen und sie so wieder zusammenzusetzen ,daß
aus dem möglichen
realen Weniger ein sicher ironisches Mehr erwächst .
Dieses
künstlerische Mehr erwächst bei Axel Brandt gerade aus der Separierung
.
Nun müssen wir –
speziell natürlich ich – uns aber davor hüten ,zuviel
aus
diesen
figurativen Erscheinungen heraus- ,oder gar in sie
hineinzuinterpretieren .
Kann man doch die
körperliche Umrißlinie im Sinne der Esoterik als
menschliche
Aura ansehen ,die körperlichen Massen dagegen in der Tradition
des Horrorfilms
interpretieren
.Der Künstler will das nicht !
Und tatsächlich :
Wenn – in der Betrachtung des Bildes – der Blick das Gedächtnis
ruhig gestellt hat ,dann kommt die malerische Behauptung zu ihrem Recht :
Die Umrißlinien deuten Körper an ,die
Farbmassen schaffen Körperlichkeit ,
aber beide
erschaffen keine Körper ,geschweige denn Personen oder
gar Portraits .
Die Namen in den
Bildtiteln oder in den Bildern – etwa in den LKW-Fenstern –
haben Bezüge zu
realen Personen ,manchmal auch oder nur zu den Autos
,die diese
Personen einmal
gefahren haben .
Und gerade weil
dies mehr Portraits von Beziehungen als von Personen sind ,
werden diese hier
und jetzt nicht enthüllt .
Die Erzählung ,seine Erzählung – so es denn eine gibt – verhüllt
Axel Brandt
aber gerade nicht : sie liegt ,zumindest an einigen Stellen ,verdächtig
offen
zu Tage .Ich
komme noch einmal zu den "Drei LKWs" ,die in
mehrfacher Hinsicht
ein Schlüsselbild
sind . Ich habe schon über die Spannbreite der
Figurationsdiskussion
und über die
Namensschilder gesprochen ,was bleibt ,ist das Triptychon im
Triptychon ,also in den Kühlergrills der Motorhauben
.
Es ist dies eine
dreifache aber zugleich auch dreifach gebrochene Reminiszenz
des Künstlers an
seine Ulmer Heimat und speziell an das Ulmer Münster ,
in dem Axel
Brandt jahrelang als Chorsänger tätig war .
Da ist zum Einen
der Ort der Bilder im Bild : als Kühlerdekoration .
Da ist zum Anderen die stilistische Kombination der Dommotive mit dem
Magirus-M im Kühlergitter ,-grill oder gar –zaun .
Und da ist zum
Dritten der Fenstercharakter der Bilder im Bild :
Fenster zu
drei
unterschiedlichen Ulmer Lokalitäten vor oder hinter der oder in die
Alpenlokalität
des Hintergrundes .
Diese multiple
Verschränkung von Möglichkeiten ,die in ihrer Gleichzeitigkeit
Unmöglichkeiten sind ,öffnet eine Tür zum Surrealismus .
Doch das Knarren
dieser Türe verwandelt sich in das Lachen des Ironischen
Realismus wenn
man feststellt ,daß im Dreiklang der Farben der LKWs
noch
eine ganz andere Frage
steckt : "Who´s afraid
of Red ,Yellow and Blue ?"
Und Barnett Newman war nun gerade kein Surrealist
.
So finden wir
oftmals mehrere malerische Anklänge in den Bildern von
Axel Brandt ,die
aber immer nur Teil seines eigenen Bildklanges sind .
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Eigentlich wollte
ich mit der Heimat schließen ,jetzt bin ich aber schon
wieder
bei der Malerei
.Und doch ist das ganz und gar richtig .
Denn so sehr es
im Werk von Axel Brandt ,bis hin zu einem
Ausstellungstitel aus dem
Jahr 2000 ,auch
um Heimat ,besser : um die Klischees aus denen sich das Bild von
Heimat formt ,zu gehen scheint ,so sehr geht es
um Malerei .
Sie ist seine Heimat ,sein Seinsort ,alles
andere ist Material ,
mehr oder weniger
.
Ich danke für
Ihre Aufmerksamkeit .
© Adolf H. Kerkhoff 2003
Rede Axel Brandt
– PUMPWERK (Kunstverein für den Rhein-Sieg Kreis e.V.) 27.6.2003